What the hell is Performance?

Das ist eine sehr gute Frage und sie ist nicht leicht zu beantworten. Je nachdem mit welcher Art von Performance man sich auseinandersetzt, kommen unterschiedliche Definitionen zusammen. Heute gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Performance-Formen und Variationen. Neben der Body Art gehören auch Tanz und Installation dazu, aber auch Theater und Show. Irgendwie zählt heute alles zu Performance. Die Performance- Art, im Besonderen die Body-Art, hat ihren populären Ursprung in den 70er Jahren und wurde aus der bildenden Kunst entwickelt. Die Körper wurden in den Mittelpunkt gerückt und es gab kein kreatives Produkt mehr, was man kaufen konnte, wie etwa ein Bild. Die Körper der Künstler wurden zum Material ihrer eigenen Arbeit. Sie stellten sich selbst in Galerien, Kellern und anderen Räumen aus. Ein bewegtes und bewegendes Bild. Die Körperlichkeit und die Unmittelbarkeit sind zwei der wesentlichen Merkmale der Performance. Weitere Merkmale sind die Momenthaftigkeit und ursprünglich auch die Nicht-Wiederholbarkeit. Dies wurde jedoch durch zahlreiche Reenactements wiederlegt. Das schwierige bei Performance ist, dass viele Künstler eine definitive Aussage verweigern, auf die man sich stützen könnte. Anders als im Theater, bei dem es meist einen zugrundeliegenden Text gibt, ist es hier meist nur die eigene Erfahrung und Wahrnehmung, auf die man verweisen kann. Man muss sich auf Performance einlassen, und zwar nicht intellektuell, sondern emotional. Natürlich kann man Performance auch rein analytisch und intellektuell betrachten, jedoch geht dann das Wesentliche einer Performance verloren. Das Denken wird dem Zuschauer bei einer Performance nicht abgenommen, man muss sich aktiv mit dem gesehen auseinandersetzen und vor allem sich die Frage stellen: Was bedeutet es für MICH? Was für Emotionen kommen in mir hoch? Was für Reaktionen? Warum macht der Mensch das da? Beim Betrachten von Performance muss diese Frage aus dem Gedächtnis verschwinden, sonst scheitert man bei dem Versuch etwas zu verstehen oder man sieht nur die kalte Oberfläche der Performance, nicht aber was für jeden einzelnen dahinterstecken kann. Performance spielt vor allem mit dem Element der Wahrnehmung. Was nehme ich wahr beim Betrachten der Performance? Was denke ich? Was irritiert mich? Wie sind meine eigenen Erfahrungen dazu? Es geht um persönliche Erfahrungen und Gefühle, die man mit der gesehenen Performance verbindet und die somit eine persönliche und individuelle Sichtweise schafft. 

Was bedeutet Performance für einen Performance-Künstler?  

Man könnte es mit Freiheit beschreiben. Anders als im Theater ist er in keine Rolle „gezwängt“. Er hat keine Rolle. Er hat kein Sicherheitsnetz aber auch nichts was ihn einengt. In einer Performance ist man ganz selbst und doch auch wieder nicht. Ein Performer ist nicht privat auf der Bühne, genauso wenig wie ein Schauspieler. Anders als beim Theater konzipieren Performer meistens ihre Performances selbst. Vor allem früher, als die Performancekunst aufkam, war, dass der Fall gewesen. Heute geht es mehr und mehr dazu über das auch Performance „inszeniert“ wird. Obwohl das an sich schon den Charakter einer Performance wieder spricht. Oder eine Performance wird „choreographiert“, wenn wir einmal vom Tanz ausgehen. Die Grenzen verwischen. Die Performance kann nicht mehr der bildenden Kunst zugeordnet werden. Ja sie kommt daher aber die anderen Künste haben sie sich zu Nutze gemacht. Als moderne Form der Interpretation gesellschaftlicher Themen. Es ist prinzipiell nichts Schlechtes daran, sondern es ist sogar sehr gut. Im Prinzip. Es ist immer gut, wenn Genres und Unterschiedliches sich vermischt. Erst dann könne neue Formen und Gedanken entstehen und es ist vermeintlich das dies geschieht, da alles eine große Entwicklung ist. Stillstand wäre langweilig. Trotzdem gibt es einen Wehrmutstropfen. Die Ursprünge der Performance sind verblast und existieren nur noch in den Büchern der Theaterwissenschaft oder in dunklen Kellern im Untergrund der Kunstszene. Schmerz, Ritual, Opferung, Blut, Provokation, Religion, Politik, Gesellschaft und alles was die Performance von damals lebendig gemacht hat wurde heute von schön sauber Inszenierten „Performances“ und hipster tauglichen Contemporary Dance abgelöst. Es gibt kein Risiko in der Performance von heute. Niemand verletzt sich mehr, um den Schmerz mit den Anwesenden zu teilen. Niemand macht sich mehr nackt vor dem Publikum, und damit ist nicht der nackte Körper gemeint. Das ist heute einfacher denn je, aber sich seelisch nackt zu machen und dem Publikum alles zu geben was man in sich trägt: Das gibt es heute sehr selten. Und dabei gäbe es so viele Themen, die zur Sprache gebracht werden müssten, und zwar nicht hübsch eingepackt in gesicherten Förderanträgen, sondern sie müssten den Zuschauern vor die Füße gespuckt werden, damit sie von ihren bequemen Positionen aufschrecken und die Performance wirklich wahrnehmen.  Die Wahrnehmung einer Performance ist entscheidend. Lässt man sie nicht in sich rein, kann man nicht an ihr teilhaben und dann gehen die Leute raus und sagen sie hätten nichts verstanden. Frei nach dem Motto: Ist die Kunst oder kann das weg? 

Was bedeutet Performance für einen Zuschauer? 

Das kann man eigentlich nicht sagen, ohne immer nur die Meinung eines einzelnen widerzuspiegeln. Es gibt keine generellen Aussagen, noch nicht mal generelle Fragen noch Begrifflichkeiten für die Performance von heute. Der Zuschauer ist ständig verwirrt, weil er nicht weiß ob das jetzt Tanz, Theater oder Performance ist. Es ist schwer nicht aus diesem Schubladendenken rauszukommen, da es so in unseren Köpfen verankert ist. Selbst wenn wir uns dagegen auflehne, wird es noch ein paar Generationen dauern bis wir über diese Regeln und Zuschreibungen in der Kunst hinweggekommen sind und neue Namen finden können für das was dort vor den Zuschauern geschieht. Für den Zuschauer kann eine Performance Alles und Nichts bedeuten. Im besten Falle macht er eine Grenzerfahrung, oder zumindest denkt er zwei Wochen darüber nach was er da gerade gesehen hat. Im schlimmsten Falle denkt er, dass er für Kunstschieß Geld ausgegeben hat, weil es ihm emotional nichts gegeben hat. Dieses Risiko ist immer da und alle Künste sind im ausgesetzt. Anders als das klassische Sprechtheater sollte eine Performance dem Menschen aber entweder im Herz oder in der Magengegend treffen. Das schönste Kompliment für einen Performance-Künstler ist nicht der Applaus, sondern wenn die Menschen verwirrt den Raum verlassen.

 

 (c) Marie Golüke, 2016